100% Lohn für Heimkinder

Viele junge Menschen arbeiten neben der Schule. Schüler*innen gehen mit Hunden spazieren, tragen Zeitung aus, helfen in der Landwirtschaft, Gastronomie oder Industrie. Junge Menschen, die in der Heimerziehung oder bei Pflegeeltern leben, müssen aber 3 von 4 verdienten Euros für die Kosten der Heimerziehung an das Jugendamt abgeben.

11.11.19 –

Viele junge Menschen arbeiten neben der Schule. Schüler*innen gehen mit Hunden spazieren, tragen Zeitung aus, helfen in der Landwirtschaft, Gastronomie oder Industrie. Ferien- und Schüler*innenjobs haben nicht nur etwas mit Geld zu tun. Ferien- und Nebenjobs sind auch Lernen für das Leben. Etwas zu kaufen, was man sich lange gewünscht hat, für welches man selbst gearbeitet hat, macht nicht nur stolz, es emanzipiert auch. Das erste eigene Geld macht es leichter, den Umgang mit kleineren Frustrationserlebnissen des Arbeitsalltags zu erlernen. Natürlich hilft ein Arbeitszeugnis aus einem Ferienjob bei der Ausbildungssuche.

Junge Menschen, die in der Heimerziehung oder bei Pflegeeltern leben, müssen aber 3 von 4 verdienten Euros für die Kosten der Heimerziehung an das Jugendamt abgeben. Das bedeutet, dass diese jungen Menschen nur 25 Prozent von ihrem selbst erarbeiteten Einkommen behalten oder sparen dürfen. Das gilt auch für freiwillige Praktika in den Ferien, die mit einem kleinen Dank honoriert werden. Die meisten betroffenen jungen Menschen empfinden das verständlicherweise als ungerecht und demotivierend. Auch Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen und Pflegeeltern beklagen, dass Kinder und Jugendliche, die es sowieso schon schwerer im Leben haben, eine weitere Hürde durch den Gesetzgeber gestellt bekommen. Es werden die Kinder bestraft, die aufgrund schwerer Schicksalsschläge oder Unfähigkeit der Eltern nicht in einem stabilen Zuhause leben können.

Die Wissenschaft unterstützt diese Beobachtung der Praxis. Auch bei den demokratischen Parteien im Bundestag herrscht Einigkeit, dass die Kosten der Heranziehung reformiert werden müssen und der Übergang in ein Erwachsenenleben durch verschiedene Maßnahmen erleichtert werden sollte. Schüler*innenbafög endet beispielsweise im Sommer, während Studierendenbafög erst im Oktober anfängt. Aber nur wenige sogenannte Careleaver*innen studieren aus einer Heim- oder Pflegesituation heraus. Diese haben selbstverständlich Anspruch auf Bafög. Auszubildende müssen jedoch 3 von 4 in einer Ausbildung verdiente Euro abgeben. Betroffen von diesem Gesetz sind Jugendliche und junge Erwachsene, die für ihre Situation am wenigsten können.

Der Bund als zuständiger Gesetzgeber schreibt zwar in § 94 SGB VIII vor, dass junge Menschen zwei Drittel ihres Nettoeinkommens abführen müssen. Die Bundesgesetzgebung sieht auch Ausnahmen vor und räumt den zuständigen Jugendämtern einen Ermessensspielraum ein: Es kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden. Bedingung ist, dass das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit im Vordergrund steht. Das gilt beispielsweise, wenn für einen Führerschein oder eine größere Anschaffung gespart wird, ein freiwilliges soziales Jahr abgeleistet wird, Aufwandsentschädigung für ein Ehrenamt oder der Schüler*innenjob pädagogische Effekte hat.

Der Kreistag Wesermarsch möge daher beschließen, dass auf die Kosten der Heranziehung durch das Jugendamt Wesermarsch bei Ferienjobs, die nicht länger als 70 Tage im Jahr andauern (analog zur Sozialversicherungsregel) verzichtet wird. Das gilt auch für regelmäßige Schüler*innenjobs zur Aufbesserung des Taschengeldes und des Sparbuches sowie für Aufwandsentschädigungen im Ehrenamt.

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